Ein Treffen 55 Jahre nach dem Abi macht das eigentlich noch Sinn?

Wir haben uns in der Vergangenheit so oft in Bad Gandersheim nach dem Schulabgang getroffen, dass wir uns mit Fug und Recht als „Klassentreff-Profis“ bezeichnen können, die weder die nicht zielführende Frage „weißt Du noch?“ stellen, noch die wenig charmante, aber zutreffende Feststellung „Du bist auch nicht jünger geworden“ über die Lippen bringen. Das reduziert mögliches Konfliktpotential im zwischenmenschlichen Bereich.
Doch es gibt Gründe, die gegen ein solches Treffen sprechen:

  • Die Gegend ist den meisten bekannt wie die berühmte eigene Westentasche.
  • Auch kurze Reisen sind mit Unbequemlichkeit und Kosten verbunden.
  • Der mögliche Gedankenaustausch gibt zu wenig her.
  • Zeitmangel und Terminüberschneidungen

Einige Klassenkameraden (weiblich und männlich – auf Korrektheit wird zu Gunsten der besseren Lesbarkeit verzichtet) haben leider gar keine Wahl mehr.
Sie wurden allesamt sehr vermisst!
Ein weiterer Teil unserer ehemaligen Mitstreiter hat sich im Laufe der Jahre aus den genannten oder anderen Gründen gegen die Teilnahme entschieden.
Die Tendenz ist steigend!
Dieser Schwund ist eine besondere Herausforderung für das Organisationsteam bestehend aus dem „Einzelkämpfer“ Konrad Barke, der die Aufgabe hervorragend gelöst hat. Beim allgemeinen Abschied gab es keine gegenteilige Meinung. Aber alle, die gerne kommen, sollten sich fragen, wie sie bei einer nochmaligen Zusammenkunft Konrad unterstützen können.
Rund 30 % des früheren Klassenverbands sind am 05. April in Brunshausen „aufgelaufen“! Sie fanden die Zeit, nahmen die Unbequemlichkeit des Reisens auf sich, freuten sich auf den Gedankenaustausch mit Freunden, mit denen sie eine wichtige, prägende Phase ihrer Jugend geteilt haben, und waren besonders neugierig auf Willershausen und Heckenbeck.
Zum Ablauf:
Es begann im “Rosencafe” im Kloster Brunshausen, wo alle Teilnehmer im Laufe des Nachmittags eintrafen.
Nach Empfangshallo, stärkendem Kaffee und Kuchen und den ersten “Was hast Du seit dem letzten Treffen getrieben?” begann das kulturelle Programm: Besuch des Portals zur Geschichte (PzG) und der Ausstellung des Kunstkreises (KKB), wozu Konrad eine besondere Bindung hat.
Hungrig und durstig ging es dann ins Keglerheim, wo wir bestens versorgt einen fröhlichen Wiedersehensabend verbrachten.
Am nächsten Morgen im Gymnasium herrschte eine gedämpfte Arbeitsatmosphäre, um die im Forum und einigen Klassenräumen mit dem schriftlichen Abitur Beschäftigten nicht zu stören. Direktor Baade führte uns aber doch bei laufendem Betrieb durch Klassenräume, Lehrerzimmer, Bibliothek sowie weitere Räume mit speziellen Funktionen. Er gab geduldig Auskunft zu allen Fragen, mit denen wir ihn bombardierten. Besonders seine Erfahrungen mit der Klasse für Flüchtlinge haben uns wegen der Aktualität sehr interessiert. Die besichtigten Bereiche machten einen sehr gepflegten Eindruck. Viele von uns haben keinen direkten Kontakt mehr zu Lehranstalten, daher wird unsere Vorstellung über die Situation an Schulen durch Berichte in den Medien bestimmt. Dieser informative Rundgang hat sicherlich dazu beigetragen, manche Bewertung –vielleicht besser Vorurteil – zu überdenken.
Herrn Direktor Baade sei hier von Herzen für seine herausragende Gastfreundschaft gedankt, die er im Übrigen auch bei jedem unserer früheren Treffen für uns bereit hatte.

Bilder vom Besuch am Roswitha-Gymnasium:

 

 

Der Programmpunkt „Tongrube Willershausen“ wurde am Nachmittag in Angriff genommen. Zunächst interessierte uns aber der imposante Backsteinbau, in dem das Pfarrhaus des Dorfes untergebracht ist. Es erinnert eher an die Villa eines Fabrikanten im Ruhrgebiet. Die Tongrube war vor noch nicht zu langer Zeit Basis für eine Ziegelei. Vielleicht hat diese das überdimensionierte Heim des Dorfpastors als Vorzeigeobjekt gesponsert?
Auch unsere Führerin durch die Tongrube, die uns bereits beim letzten Treffen die nahe gelegene Ausgrabungsstätte „Harzhorn“ vorgestellt hatte, blieb uns dafür Antwort schuldig. Dafür wusste sie alle Einzelheiten zur Tongrube von der Entstehung bis zum Naturdenkmal. Ob das kleine, liebevoll gemachte Museum und die Grube bei allem Engagement der Beteiligten ein touristischer Hit werden kann, darf bezweifelt werden. Zur Abrundung unserer regionalen Kenntnisse war der Besuch aber fast unverzichtbar.
Das gemeinsame Abendessen hätten wir sicherlich bis zum nächsten Treffen vergessen. Doch Ludolf Klemeyer packte seine Geige aus und brachte uns das Musikstück nochmals zu Gehör, das er anlässlich unseres Abi-Balls als seine erste öffentliche Aufführung gespielt hatte. So richtig genießen und schätzen konnten wir diesen Auftritt erst heute.
Unstrittig war es der Höhepunkt unserer gesamten Veranstaltung.
Leider musste Ludolf die Bitte der Wirtin, die musikalische Gestaltung der Hochzeit ihres Sohnes Ende Mai zu übernehmen, ausschlagen.
Die Wanderung von der Gandersheimer Feuerwehr nach Heckenbeck war der ideale Katerspaziergang, um einen klaren Kopf für neue Informationen zu bekommen. Weltbühne, Schule, Meditationszentrum kannten einige von uns aus dem Fernsehfilm, andere waren überrascht von den Voraussetzungen, die in einem Dorf des Harzvorlandes seit etwa 20 Jahren Bevölkerungswachstum ermöglichen, während andere kleine Ortschaften in vielen Gebieten Deutschlands langsam zu Wüstungen verkommen.
Auch in diesem Fall war die eigene Anschauung beim Gang durch die Gemeinde und die sachkundige Führung einer engagierten Bewohnerin, die Fragen zu ihrem – alternativen? - Leben sofort beantworten konnte, der Schlüssel zum besseren Verständnis für die Suche nach einer neuen Lebensform.
Zurück an der Feuerwehr ging, begleitet von Aprilschauern und einigen tapferen Sonnenstrahlen, unser wieder erlebnisreiches und herzerfrischendes Klassentreffen zu Ende.
Wir freuen uns auf das nächste.
Hat ein solches Treffen einen Sinn?
Ein uneingeschränktes Ja!

  • Der persönliche Eindruck ist besonders prägend, wenn er mit Freunden unmittelbar diskutiert werden kann.
  • Die Kosten sind bald vergessen, Terminnot ist eine Frage der Zeiteinteilung, wenn die Termine in der absehbaren Zukunft liegen.
  • Eine gute Planung ist die Voraussetzung für jede gelungene Veranstaltung.
  • Auch Gegenden, die man gut zu kennen glaubt, entwickeln sich und bieten neue Informationen.
  • In der Jugend entstandene freundschaftliche und kameradschaftliche Bindungen werden aufrecht erhalten oder entstehen sogar neu. Was könnte wertvoller sein?

Nochmals – danke Konrad – an alle, viele Ideen unterstützen den Planer.

Gerhard Opper