Die Jahrgänge acht bis elf des Roswitha-Gymnasiums besuchten das Theaterstück "Der Kirschgarten" von Anton Tschechow.

Die Schülerinnen der 9a Johanna Swidereck und Laura Henke haben jeweils einen Artikel zum Besuch des Theaterstückes verfasst.

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Laura und Johanna mit Alice Susan Hanimyan und Moritz Fleiter.

 

Die Artikel von Laura und Johanna:

  • Am Dienstag, den 07. Juni besuchten die achten bis zehnten Klassen sowie der 11. Jahrgang des Roswitha-Gymnasiums die Domfestspiele. Auf dem Programm stand das vom russischen Autor Anton Tschechow als Komödie betitelte Drama „Der Kirschgarten“.

    Bei strahlendem Sonnenschein – es war fast ein wenig zu warm – begann um 10 Uhr die Vorstellung. Aufgrund der Tageszeit war es nicht möglich, mit Licht von Scheinwerfern zu arbeiten. Die Schauspieler gaben dennoch ihr Bestes, um den Schülern auch bei diesen besonderen Bedingungen eine interessante Vorführung zu bieten. Nach ungefähr zwei Stunden war der Kirschgarten versteigert und die Vorstellung beendet.

    Es gab aber noch die Möglichkeit zu einem Gespräch mit den Schauspielern, bei dem wir einiges zu dem Theaterstück und der Inszenierung erfahren konnten. Es war möglich, Fragen zu stellen, die uns dann vom Intendanten Christian Doll sowie den Schauspielern Martina Maria Reichert, Luise Schubert, Alice Susan Hanimyan, Moritz Fleiter und Dominika Szymanska beantwortet wurden. So hat man beispielsweise noch mehr über Lopachin, den ehemaligen Leibeigenen, und das Verhältnis der Ziehschwestern Anja und Warja erfahren. Außerdem wurde darüber diskutiert, ob man dieses Theaterstück als Komödie bezeichnen solle, wie Tschechow das tut, oder nicht. Es wurde erklärt, dass es in einer Komödie immer ein Happy End für alle beteiligten Personen gibt. „Der Kirschgarten“ ist daher eher eine Tragikomödie.

    Diese Nachbesprechung war eine tolle Möglichkeit, das Theaterstück besser zu verstehen.

    Johanna Swidereck, 9a
  • „Der Kirschgarten“ ist das letzte Theaterstück von Anton Tschechow. Er schrieb von 1880 bis 1903 über 600 Werke und wurde neben „Der Kirschgarten“ durch „Die Möwe“ und „Die drei Schwestern“ international bekannt. Tschechow ist einer der größten russischen Dramatiker.
    Die Komödie „Der Kirschgarten“ spielt um 1900 auf einem großen russischen Landgut mit einem Herrenhaus. Zu diesem gehört ein riesiger und wunderschöner Kirschgarten, der jedoch keinen Nutzen mehr hat. Die adlige Gutsherrin Ranjewskaja hat fünf Jahre zuvor ihr Haus verlassen, nachdem ihr Sohn ertrunken war. Ihr Bruder Gajew und sie können nicht mit Geld umgehen, weshalb die Familie hoch verschuldet ist. Der Kirschgarten steht kurz vor der Zwangsversteigerung und Ranjewskajas Tochter Anja holt deshalb ihre Mutter aus Frankreich zurück. Jedoch hängt die ganze Familie lieber ihren Kindheitserinnerungen und Liebesträumen nach, als nach einer Lösung der Probleme zu suchen. Das Gut wird versteigert und alle gehen.

    Am 07. Juni 2016 sahen wir Schüler der Klassen 8 bis 11 des Roswitha-Gymnasiums bei den Gandersheimer Domfestspielen die Inszenierung von Christian Doll. Das anfängliche Bühnenbild bestand aus Möbeln, die allesamt in durchsichtiger Folie verpackt waren, und die Schauspieler wurden ebenfalls mit Folie eingepackt. Mir hat diese Darstellung vermittelt, dass die Bewohner des Guts sehr an diesem hängen, dass sie ein Teil davon sind. Aber es wirkte gleichzeitig auch so, als sei das Gut schon sehr heruntergekommen und als würde sein Schicksal bereits feststehen.
    Nach Beginn des Stückes befreiten sich die Darsteller nach und nach aus der Folie und auch die Möbel wurden im Laufe des Geschehens ausgepackt.
    Die Komödie fängt mit der Ankunft von Ranjewskaja und Anja an. Ranjewskaja begrüßt alle herzlich und tut so, als hätte sie alles und alle sehr vermisst, so vor allem auch ihre Tochter Anja und ihre Pflegetochter Warja.
    Auch die beiden Schwestern begrüßen sich. Dieses Aufeinandertreffen hat Herr Doll viermal in jeweils leicht abgewandelter Form passieren lassen, bis Anja mit der Art des Wiedersehens ihrer Schwester zufrieden ist. Zunächst fand ich das verwirrend, da ich dachte, dass die Schwestern ein gutes Verhältnis zueinander haben, aber durch diese Inszenierung ist dann deutlich geworden, dass beide doch sehr verschieden sind und eine Annäherung nicht immer leicht ist. Anja ist die „richtige“ und adlige Tochter und Warja „nur“ die Pflegetochter, die sehr religiös ist.
    Bald kommt dann noch der ehemalige Leibeigene Lopachin hinzu, welcher ein reicher Kaufmann geworden ist. Er beginnt sofort, der Gutsherrin seinen Lösungsvorschlag vorzustellen, allerdings möchte Ranjewskaja davon nicht viel hören. Für sie kommt es aus verständlichen Gründen nicht in Frage, den Kirschgarten abzuholzen und Sommerhäuser zu bauen. Denn es bestehen sehr viele schöne Kindheitserinnerungen an diesem Garten, außerdem starb auch hier ihr Sohn. Auch sonst gibt es niemanden in der Familie, der den Garten verkaufen möchte. Doch nach einer anderen Lösung sucht auch keiner. Lieber gibt man weiter sein Geld für teure Restaurants aus oder verleiht sogar Geld an andere. Genauso gibt sich die Familie ihren Fantasien und der Liebe hin.
    Anja verliebt sich in den Lehrer ihres verstorbenen Bruders, den ewigen Studenten Trofimov. Und Dunjascha, das sensible Dienstmädchen, weiß nicht, für wen sie sich entscheiden soll: Jascha, der „böse Junge“ aus Paris, oder doch lieber Epichodow, der tollpatschige Angestellte, der „ Pech hoch 3“ genannt wird und ihr am Anfang einen Antrag macht?
    Auch Warja ist, obwohl sie die Einzige ist, die immer wieder auf die Geldprobleme hinweist, nicht von der Liebe verschont. Sie hofft noch immer darauf, dass Lopachin ihr einen Antrag macht, doch das geschieht nicht.
    Letztendlich ersteigert Lopachin den Hof und jeder geht weg, nur Epichodow bleibt als Angestellter. Ranjewskaja reist zurück zu ihrem Geliebten nach Paris, Warja arbeitet im Haushalt einer anderen Familie und Gajew, der nie zuvor gearbeitet hat, fängt in einer Bank an.

    Dieses doch so ernste Geschehen ist immer wieder von Musik untermalt und dadurch aufgelockert worden. Die Kostüme waren ebenfalls gut gewählt. So hat das Publikum Warjas schwarzes Kleid mit weißer Bluse mit ihrem Status als „Nonne“ in der Familie assoziieren können und Ranjewskajas Kleidung, die so anders war als die der Anderen, zeugt von ihrem Pariser Leben. Epichodow, der Pechvogel im Stück, hat Schuhe getragen, unter die etwas geschnallt war, das gequietscht hat, wenn er lief. Dadurch wurde sein Pech noch deutlicher gemacht und es gab etwas zu lachen.

    Auch die Schauspieler haben eine tolle Leistung gebracht. In „Der Kirschgarten“ werden die Konflikte meist nur innerlich ausgetragen. Das macht das Stück für Schauspieler zu einer „echten Herausforderung“ (Doll). Doch diese haben die Darsteller der Gandersheimer Domfestspiele gemeistert. Besonders gut fand ich, wie Alice Susan Hanimyan als Warja deren Verhältnis zu Lopachin spielte. Man hat, so denke ich, spüren können, wie Warja sich einerseits wünscht, Lopachin nah zu sein, andererseits wie sie ihm auch aus dem Weg geht, da er ihr immer noch keinen Antrag gemacht hat. Sie ist innerlich hin- und hergerissen.
    Gunter Heun als Lopachin hat seine Rolle meines Erachtens ebenfalls überzeugend gespielt. Lopachins Veränderung zum Ende hin wirkte natürlich: Zuerst war er Ranjewskaja noch dankbar, doch zum Schluss überwog sein Gefühl der fehlenden Zugehörigkeit. Sein Vater war noch Bauer und Leibeigener gewesen und auch jetzt als reicher Mann gehört Lopachin keineswegs zum Adel. Das macht ihn wütend und er zeigt es am Ende, nachdem der Hof an ihn verkauft wurde.
    Die Rolle der Ranjewskaja wurde von Martina Maria Reichert gespielt. Sie hat den Zuschauern eine unberechenbare, arrogante Adlige gezeigt, wie Ranjewskaja es ist. Dass sie so ist, das merkt man zum Beispiel an ihrer Scheinheiligkeit: Sie habe ihre Töchter ja so vermisst. Aber verlassen konnte sie die beiden ja auch einfach so vor fünf Jahren! Die Unberechenbarkeit ist ebenso in anderen Szenen klar geworden. In einem Moment ist die Gutsherrin nett und in der nächsten Sekunde „teilt sie aus“. Außerdem will sie nicht wirklich über ihre Geldprobleme nachdenken und lebt so weiter, wie sie immer gelebt hat.

    Im Gesamten war die Inszenierung überzeugend: Der Zuschauer kann die historischen Bezüge wiederfinden und auch Verbindungen zur Gegenwart herstellen. So ist Lopachins Schicksal mit dem von Neureichen zu vergleichen. Oder weitere Themen können berühren, wie das Problem der notwendigen Veränderung unseres Lebensstils oder die Schwierigkeit, vernünftige Entscheidungen in Krisen zu treffen. Dieses Drama ist über 100 Jahre alt, aber noch immer aktuell und das finde ich daran so interessant.
    Schade ist nur, dass alles eher tragisch als komisch ist. Ich hätte mir mehr Komödie erhofft, aber das war vielleicht auch nicht möglich aufgrund der literarischen Vorlage. Wenigstens ein gutes Ende für eine der Liebesgeschichten wäre ebenso schön gewesen!
    Ich persönlich finde das Theaterstück an sich aufgrund seiner Ernsthaftigkeit nicht so gut. Die Inszenierung war aber zum Teil sogar spannend und ist für jeden, der gern Tragisches sieht und vielleicht auch an Geschichte und Gesellschaft interessiert ist, zu empfehlen. Die Wirkung der Beleuchtung wird wahrscheinlich abends eindrucksvoller sein. Deshalb, so denke ich, sollte man sich für eine Abendvorstellung entscheiden.

    Laura Henke, Klasse 9a